.. auf Lastwagen fortgeschafft. Die jüdischen Bürger in der Stadt Kusel

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Aus dem Vorwort: Begleitheft zur Erkundung der Stolpersteine in Kusel:  Erinnern Sie sich mit uns an unsere jüdischen Mitbürger in Kusel!

Liebe Leserin, lieber Leser,

Jede Stadt hat ihre Geschichte. Das gilt auch für Kusel. Auf das Meiste sind wir stolz. Aber wir scheuen uns nicht, auch dunklere Seiten aufzuzeigen. So stellen wir uns auch dem Schicksal unserer jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen in Kusel während des Nationalsozialismus. Geschichte prägt Zukunft positiv, wenn man sie gut verarbeitet. Deshalb hat sich die Stadt Kusel mit dem Bündnis gegen Rechtsextremismus Kusel in den Jahren 2006 und 2007 an der Aktion „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig beteiligt, nachdem ein Arbeitskreis sorgfältig die erschütternden Lebenswege der betroffenen jüdischen Familien in Kusel nachgezeichnet hatte. Seit Jahren sind uns die Stolpersteine nun Mahnung, nicht zu vergessen und Auftrag an jeden von uns, sich persönlich in seinem Umfeld immer aktiv für Toleranz, Freiheit und Demokratie einzusetzen. Engagierte Menschen bieten Führungen zu den Stolpersteinen an. Wechselnde Schulgruppen kümmern sich um die Pflege der Bronzeplaketten. Allen Beteiligten sage ich ein herzliches Dankeschön. Für die Idee und die Erstellung des vorliegenden Begleitheftes gilt mein Dank Gerhard Berndt und Hans-Christian von Steinaecker. Das Heft ermöglicht, alle Stolpersteine in Kusel aufzufinden und gibt gleichzeitig Auskunft über das Leben und Schicksal der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, an die sie erinnern.

Ulrike Nagel
Bürgermeisterin der Stadt Kusel

Seite 18: Familie Bermann in der Gartenstraße 8

Gehen Sie zurück Richtung Kreisel und lassen ihn links liegen. Beim nächsten Zebrastreifen wechseln Sie die Fahrbahnseite bis zur nächsten Einmündung, der der Gartenstraße. In diese biegen Sie links ein und erreichen nach wenigen Metern das Anwesen Nr. 8, vor dem Sie auch die 4 Stolpersteine finden.

Anwesen Bermann in der Gartenstraße 8, davor Luitpold Bermann mit den Kindern Kurt und Ilse

Karl Bermann (geboren 26.10. 1855 in Konken, gest. „etwa 1930 zu Mannheim“), verh. mit Berta geb. Herz (geboren 26.11.1857 in Ruchheim), lebte in Konken, wo er ein Handelsgeschäft betrieb. Die Eheleute bauten 1905/06 in damals bester Lage der Stadt Kusel das Anwesen Gartenstraße 8 mit Stall und Nebengebäude. Sie zogen 1906 nach Kusel. Karl und Berta Bermann hatten fünf Kinder:

Isidor geboren 21.4.1883 in Konken, meldete sich nach dem Militärdienst am 12.11. 1919 in Kusel polizeilich zur Adresse seiner Eltern. Er verzog dann nach Kaiserslautern (gest. 1935). Seine Witwe Betty lebte im November 1938 in Ludwighafen. Zu ihr flüchtete nach dem Pogrom die Schwägerin Mathilde Heymann. Die beiden Töchter Lore und Susi von Isidor und Betty Bermann überlebten den Holocaust in einem Kloster in Frankreich. Ihr Onkel Rudi Bermann traf sich mit ihnen im August 1945 in einer Kirche in Paris.

Mathilde Heymann geborene Bermann, geboren am 6.5.1884 in Konken, meldete sich 1912, aus Trier zuziehend, ebenfalls in das Haus Gartenstraße 8 wo sie, alleinstehend, die Dachgeschosswohnung bewohnte. Nach dem Pogrom floh sie nach Ludwigshafen zu der Witwe ihres Bruders Isidor Borg. Sie wohnten zuletzt in der Prinzegentenstraße 26, als beide am 22.10.1940 in das Lager Gurs verschleppt wurden. 1942 wurde Mathilde Heymann in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert, sie ist dort verschollen. Luitpold, geboren 26.4.1891 in Konken wurde als Kriegsteilnehmer in Verdun schwer verwundet und verlor ein Auge. Er wohnte mit seiner Familie ebenfalls im Haus Gartenstraße 8, wo er mit seinem Bruder Ernst das Handelsgeschäft betrieb. Unter dem Druck des Antisemitismus resignierte Luitpold und emigrierte am 18.6. 1937 in die USA zusammen mit seiner Ehefrau Erna geb. Lehmann (geboren 5.4. 1897), mit Sohn Kurt (geboren 17.6.1923) und mit Tochter Ilse (geboren 1.5.1925).

Paula Bermann, verh. van Es, geboren 9.3.1895 in Konken. Paula war mit den deutschen Truppen im ersten Weltkrieg (1914 – 1918)als Krankenschwester in Frankreich, heiratete den Holländer Coenraad van Es und zog am 17.7.1918 nach Amsterdam. Die Eheleute hatten drei Kinder: Hans, Inge und Sonja. Während der Deportation durch die Nazis sieht Paula ihren Mann im KZ Bergen-Belsen sterben. Sie öffnete sich am 21.1.1945 die Pulsadern, da sie nicht durch deutsche Hände sterben wollte. Tochter Inge überlebte im KZ Bergen-Belsen, Tochter Sonja in einem Arbeitslager und Sohn Hans versteckt bei einer christlichen Familie.
Ernst geboren 23.3.1888 in Konken, wohnte nach Kriegsteilnahme auch im Haus Gartenstraße 8, wo er mit dem Bruder Luitpold das gutgehende und angesehene Pferde- und Viehgeschäft betrieb. Ernst Bermann war verheiratet mit Clara geb. Maier (geboren 30.9.1895 in Malsch). Sie hatten miteinander drei Kinder: Gerda (geboren 18.5.21) Rudolf (geboren 10.7.1922) und Hildegard (geboren 6.1.1927). Die Kinder wurden „deutsch-patriotisch“ erzogen. Ernst Bermann war zunächst der Meinung, das deutsche Volk lasse die Nazis nicht gewähren und ihm könne als Weltkriegsteilnehmer ohnehin nichts geschehen. Das war ein tragischer Irrtum. Nach dem Verbot des Besuchs der höheren Töchterschule für Tochter Gerda und des Progymnasiums für Sohn Rudolf 1936 schickten die Eltern die beiden Kinder in eine Handelsschule nach Frankfurt bzw. Sohn Rudolf in eine Bäckerlehre nach Heilbronn. Mit Hilfe eines Schwagers des Bruders Luitpold konnten die Bedingungen für eine Einreise in die USA erfüllt werden, so dass beide am 15.6.1938 in die USA emigrierten. Für die Eltern und die kleine Tochter Hildegard bleiben die Bemühungen um eine Ausreise erfolglos. In der Nacht zum 10. November 1938 wurde Ernst Bermann mit anderen jüdischen Männern für mehrere Wochen in das KZ Dachau verschleppt. Ehefrau Klara flüchtete mit der Tochter Hildegard nach dem Pogrom zu den Verwandten nach Holland. Nach der Besetzung durch deutsche Truppen wurden Ernst, Klara und Hildegard dort verhaftet und in das Lager Westerborg verschleppt. Ein letztes Lebenszeichen ist eine Postkarte im Besitz von Gerda Lautmann, geb. Bermann. Darauf steht: “Meine Lieben, Päckchen erhalten und herzlichen Dank. Schickt keine mehr. Alles Gute und herzliche Grüße, Ernst und Klara“. Die Familie wurde dann von Westerbork in das KZ Sobibor deportiert. Dort sind die Eltern verschollen. Tochter Hildegard wurde am 21. 5. 1943 in Sobibor ermordet. Gerda Lautmann, geb. Bermann, besuchte mit ihrem Mann 1971 für wenige Stunden ihre Geburtsstadt Kusel. Beide leben in New York.

Das komplette Buchhttps://stadt.kusel.de/Stolpersteine/pdf

Alle sinngemäßen und wörtlichen Zitate in dieser Schrift sind dem Buch: „…auf Lastwagen fortgeschafft. Die jüdischen Bürger in der Stadt Kusel” entnommen, das als PDF-Datei kostenlos der folgenden Webseite zu entnehmen ist: http://stadt.kusel.de/stadtgeschichte/auf-lastwagen-fortgeschafft/

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